Mit der alljährlichen CSD-Saison kehrt auch die Debatte über Fetisch-Präsenz auf den Paraden zurück. Besonders häufig steht dabei eine Gruppe im Fokus: sogenannte „Puppys“ – Menschen in Hundemasken, Harnessen und Lack, die sich spielerisch und selbstbestimmt auf den Prides zeigen. Die mediale und gesellschaftliche Reaktion darauf ist oft von Empörung und Unverständnis geprägt. Doch warum eigentlich?
Fetisch ist nicht gleich Sex
Der Reflex, Fetisch-Outfits sofort mit Sex gleichzusetzen, verkennt die Realität. Niemand würde auf die Idee kommen, jemandem in Sportkleidung vorzuwerfen, er gefährde Kinder – obwohl auch Sportwear für viele ein Fetisch ist. Das Problem ist nicht das Outfit, sondern die Reaktion darauf.
Puppys lachen, spielen, feiern. Einige leben diesen Ausdruck auch sexuell aus, viele jedoch nicht. Die Szene ist bunt und vielfältig: jung, alt, asexuell, depressiv, verspielt. Für viele ist es einfach eine Ausdrucksform des Selbst – ein Weg, zu sich zu finden und sich mit anderen zu verbinden.
Kein Porno auf Beinen, sondern Körperpolitik
Fetisch ist kein Monolith. Es geht um Sichtbarkeit, um Ausdruck, um gelebte Körperpolitik. Die Fixierung auf angebliche Gefahren für Kinder lenkt ab von echten Bedrohungen wie queerfeindlicher Gewalt oder Diskriminierung. Es ist kein Zufall, dass solche Diskussionen die eigentlichen Probleme ausblenden – und damit queere Geschichte und Kämpfe unsichtbar machen.
CSD war nie ein Kostümfest der Angepassten
Der Ursprung der Pride-Bewegung liegt im Protest. Der CSD ist nicht zum Wohlfühlen da, sondern entstand aus Wut und Widerstand. Menschen wie Marsha P. Johnson, Sylvia Rivera oder die BDSM-Community während der Aidskrise waren laut, unbequem – und kämpften für Sichtbarkeit und Rechte. Heute geraten gerade jene wieder ins Visier, die an diese Geschichte erinnern.
Die Sorge um Kinder – ein vorgeschobenes Argument?
Die Angst um das Kindeswohl wird reflexhaft ins Feld geführt, wenn Puppys auf Paraden auftauchen. Doch Kinder reagieren meist unvoreingenommen: Sie sehen eine Verkleidung, lachen oder fragen nach. Das Problem liegt nicht bei den Kindern – sondern bei den Erwachsenen, die in einem Outfit sofort Sexualität vermuten.
Sichtbarkeit statt Anpassung
Es ist nicht die Aufgabe queerer Menschen, sich ständig an die Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Der Versuch, queere Sexualität auf ihre „Verdaulichkeit“ zu prüfen, verkennt, dass es nie um Provokation um der Provokation willen geht – sondern um das Recht, so zu leben, wie man ist. Auch wenn das unbequem wirkt.
Die neue Prüderie kommt oft aus der eigenen Community
Was besonders auffällt: Ein Teil der Kritik stammt aus der queeren Community selbst. Aus Angst vor Ablehnung von außen wird Anpassung nach innen gefordert. Doch wer Fetisch als „krank“ abtut oder aus dem öffentlichen Raum verbannen will, übernimmt genau jene Argumentationslinien, gegen die die Bewegung einst angetreten ist.
Gemeinsam gegen den Rechtsruck
In Zeiten wachsender queerfeindlicher Tendenzen ist Zusammenhalt wichtiger denn je. Die Geschichte zeigt: Nur wenn unterschiedlichste Gruppen gemeinsam auftreten – ob lesbisch, schwul, asexuell, kinky oder vanilla – entsteht echte Veränderung.
Die Debatte um Puppys ist keine Nebensache. Sie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Und ein Weckruf, queere Vielfalt zu verteidigen – nicht trotz, sondern wegen ihrer Wildheit.